Wundersame Allergie
Silke Herbst
August 2005
Es war ein schöner Abend. Ich hatte ein paar Freunde eingeladen und es waren tatsächlich alle gekommen. Als große Überraschung kam auch eine Freundin, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte. Im Gepäck hatte sie ihren neuen Freund und dessen Hund. Ein wunderschönes und sehr liebes Tier. Geduldig nahm der Hund unter meinen Wohnzimmertisch Platz und wir bemerkten ihn fast den ganzen Abend nicht. So langsam war meine 58 qm² Wohnung auch hoffnungslos überfüllt, aber wir hatten alle viel Spaß. Jeder hatte etwas zum Essen mitgebracht und so entstand in meiner kleinen Küche nach und nach ein großes Buffet. Nach dem Essen starteten wir eine tolle Party. Ich war nur froh, dass sich keiner der Nachbarn beschwerte. Spät in der Nacht fuhr auch der letzte Heim. Vorsichtig sah ich mich um, meine Wohnung glich einer Müllhalde. Überall lagen leere Flaschen und überfüllte Aschenbecher. Ich beschloss erst einmal ins Bett zu gehen, aufräumen konnte ich ja auch später.
Am nächsten Tag stand ich erst gegen Mittag auf. Nach einer großen Kanne starken Kaffee machte ich mich langsam an die Arbeit. Den Rest des Tages verbrachte ich auf meiner Couch. Gegen Abend bemerkte ich einen starken Juckreiz an meinen rechten Knöchel. Vorsichtig schob ich meine Socke ein wenig hinunter und begutachtete meinen Fuß. Eine Art Ausschlag schien sich dort breit zu machen. Viele kleine knallrote Punkte strahlten mir entgegen. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Vorsichtig rieb ich die Stelle mit Salbe ein und beschloss abzuwarten. Im Laufe der Woche klang der Ausschlag ab, dafür brach er aber am linken Fuß wieder aus. So ging es eine ganze Weile. Während der eine Fuß abheilte, blühte der andere Fuß in getupften rot. Eines Nachts wachte ich von einem unbändigen Juckreiz auf. Ich tastete nach der Nachttischlampe und knipste das Licht an. Vorsichtig zog ich mein Bein unter der Decke hervor. Mich traf der Schlag. Der Ausschlag hatte sich vom Knöchel, bis hoch zum Oberschenkel ausgebreitet. Überall waren diese fiesen roten Pickel. Ich versorgte mich wieder mit meiner Salbe und ging ins Bett.
Am nächsten Morgen suchte ich verzweifelt meine Hausärztin auf. Irgendetwas musste ich gegen diesen Ausschlag unternehmen. Als ich an ihrer Praxis ankam, musste ich zu meinen Entsetzen feststellen, dass sie in Urlaub war. Ich machte mich also auf den Weg zu ihrer Vertretung. Nachdem ich unglaublich lange im Wartezimmer gesessen habe, wurde ich endlich aufgerufen. Mit gerunzelter Stirn begutachtete der Arzt den mysteriösen Ausschlag.
„Es scheint eine Art Kontaktallergie zu sein“, sagte er schließlich, „ich verschreibe Ihnen ein paar Tabletten und Kalzium. Dann müsste der Ausschlag in paar Tagen verschwunden sein.“
Beruhigt fuhr ich nach Hause. Nach wenigen Tagen bemerkte ich, dass die verordneten Medikamente keine Wirkung zeigten. Im Gegenteil, der Ausschlag wurde immer schlimmer. Langsam, aber sicher kroch er an meinen beiden Beinen hoch. Während die einen Pickel gingen, waren schon die nächsten wieder in Anmarsch. Es war wirklich zum Mäusemelken. Hinzu kamen noch ein paar extrem warme Tage und ich konnte nur lange Hosen tragen. Selbst durch dunkle Strumpfhosen schillerte mir dieses extreme Rot entgegen.
Eine Woche später saß ich wieder bei der Vertretung meiner Ärztin im Wartezimmer. So langsam brachte mich diese Kontaktallergie um den Verstand. Wieder begutachtete der Arzt den Ausschlag. Schließlich sah er mich über den Rand seiner Brille hinweg an und schüttelte mit dem Kopf: „Ich überweise Sie an einen Facharzt.“
Also ab nach Hause und wochenlang auf einen Termin beim Hautarzt warten. Unterdessen konnte sich mein Ausschlag nach Herzenslust ausbreiten. Zwei Wochen später sah ich aus, als hätte ich die Windpocken. Aber ich hielt tapfer durch. Schließlich kam der Tag, an dem ich meinen lang ersehnten Termin hatte. Fröhlich kratzend ließ ich mich für die nächsten Stunden im Wartezimmer nieder. Kurz vor Feierabend war ich endlich an der Reihe.
Mit vielen Ehem und Ahas begutachtete er meinen Ganzkörperausschlag. Einige der Pickel wurden sogar mit einer Lupe untersucht.
„Das sieht mir aber stark nach einer Kontaktallergie aus“, stellte er schließlich fest.
Und wieder bekam ich eine Flüssigkeit zum Einreiben, neue Tabletten und Kalzium. Optimistisch verließ ich die Praxis, nun würde der Spuk bald vorbei sein. Wie angeordnet nahm ich regelmäßig meine Tabletten und bestrich sorgfältig jeden einzelnen Pickel. Leider ohne großen Erfolg. Es hatte sich nichts verändert. Alte Pickel heilten ab, neue kamen hinzu. Nur wurden es immer mehr neue Stellen, als alte, die abheilten. Ich machte einen Termin bei einem andern Hautarzt. Eine zweite Meinung könnte ja nicht schaden. Nach 14-tägiger Wartezeit saß ich endlich im Sprechzimmer und erzählte, welche Behandlungen ich schon absolviert hatte und welche Tabletten mir bisher verordnet wurden. Der Hautarzt entschied sich für einen Allergietest. Am nächsten Morgen saß ich in der Praxis. Für den Test hatte ich einige Blätter von Pflanzen aus meiner Wohnung mitgebracht. Beide Unterarme und mein Rücken wurden zerstochen und mit irgendwelchen Stoffen betupft. Der Test auf den Armen war schnell beendet, keine Reaktion. Die Testpflaster auf meinem Rücken musste ich länger tragen. Duschen und Baden war mir für die nächsten Tage untersagt. Mit neuer Hoffnung fuhr ich nach Hause. Ob ich den Ausschlag diesmal besiegen würde? Abends fingen einige Stellen auf meinem Rücken tierisch an zu jucken. Hilflos stellte ich mich in den Türrahmen und zuppelte mit meinem Rücken hin und her. Das Gefühl des Türrahmens in meinem Kreuz war eine wahre Erleichterung, aber ich konnte jetzt ja nicht ewig in der Tür stehen bleiben. Es nützte nichts, ich musste durchhalten. Mutig kuschelte ich mich in meinen Sessel und versuchte den Juckreiz zu vergessen. Um mich ein wenig abzulenken, beobachtete ich eine kleine Fliege, wie sie von meinem hellen Wohnzimmertisch im dunklen Teppich verschwand. Ich fand das Verhalten der Fliege ein wenig merkwürdig, dachte aber nicht weiter darüber nach. Nach zwei weiteren harten Tagen hatte ich den Allergietest überstanden, leider ohne Resultat. Auch der Hautarzt war mit seinem Latein am Ende. Vorsichtshalber verschrieb er mir aber noch Tabletten und Kalzium. Etwas deprimiert verließ ich die Praxis. Was war das nur für eine seltsame Kontaktallergie. Anscheinend konnte mir niemand helfen. Ich schluchzte. Musste ich jetzt etwa ewig mit diesen Pickeln leben? Auf dem Weg zu meinem Auto kam ich an einer Zoohandlung vorbei.
„Was soll`s“, dachte ich, „wenn es mir schon schlecht geht, soll zumindest mein Wellensittich eine Freude haben.“
Ich betrat den Laden, um für ihn ein Leckerli zu kaufen. Während ich in den Regalen nach etwas Geeignetem suchte, kam die Inhaberin auf mich zu. Sie verwickelte mich in ein nettes Gespräch. Verzweifelt erzählte ich ihr von meiner Allergie und zeigte ihr den Ausschlag an meinen Beinen. Verwundert schaute sie auf die Pickel.
„Oh mein Gott“, rief sie entsetzt, „Sie sind ja voller Flohstiche.“